Die Verwegene by Charlotte Leonard

Die Verwegene by Charlotte Leonard

Autor:Charlotte Leonard
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau digital
veröffentlicht: 2022-02-15T17:01:47.250000+00:00


Kapitel 21

Los Angeles, Winter 1939/1940

Fast zwei Monate konnte Hedy ungestört mit ihrem Sohn verbringen, bis die Dreharbeiten zu I take this Woman am 4. Dezember wieder aufgenommen wurden. Der dritte Regisseur sollte sein Glück mit dem Film versuchen. Es war W. S. van Dyke, der den Spitznamen »One-Take-Woody« besaß, weil er seine Dreharbeiten unglaublich schnell beendete, und nur selten einen zweiten oder dritten Take vornahm.

»Ich fürchte, selbst ein Josef von Sternberg oder ein Orson Welles könnte aus diesem Dreck von Drehbuch nichts Vernünftiges machen«, sagte er, als er mit Hedy über ihre Rolle sprach. »L. B. will, dass wir das Ding möglichst schnell im Kasten haben, damit seine Stars für Besseres frei sind. Also vergessen Sie alles, was kompliziert ist, spielen Sie einfach die Georgi Gragore und sehen Sie dabei gut aus.«

»Gut.« Hedy öffnete den Mund, um ihn etwas zu ihrer Rolle zu fragen, aber dann schwieg sie. Sie verstand zu gut, was der Regisseur meinte. Dieser Film war ein tot geborenes Kind, und man konnte nur versuchen, ihn möglichst schnell und mit möglichst wenigen Kosten zu begraben. »Stemmen wir den Dreh.«

»Schicken Sie mir Tracy rein«, sagte One-Take-Woody. Dann klopfte er ihr sanft auf die Schulter. »Das wird schon. Bei allem, was ich bisher von I take this Woman gesehen habe, haben Sie eine gute Figur gemacht.«

»Danke.« Sie schloss die Tür hinter sich und machte sich auf die Suche nach Spencer Tracy. Angst umklammerte ihr Herz. Lady of the Tropics war ein veritabler Flop gewesen und I take this Woman war auf dem besten Weg, ihm in den Untergang zu folgen. Wenn dieser Film ebenfalls an den Kinokassen scheiterte, sank ihr Stern in Hollywood schneller als man »Kassengift« buchstabieren konnte.

Wie ungerecht das System war! MGM suchte den Film für sie aus, bestimmte den Regisseur, legte ihre Kollegen fest, ohne Hedy auch nur ein bisschen Mitspracherecht zu gewähren, aber wenn der Film ein Misserfolg wurde, musste sie es ausbaden.

In diese düsteren Gedanken versunken hätte sie Spencer Tracy beinahe übersehen, der in einer dunklen Ecke des Studios hockte und rauchte. Als sie näher kam, erkannte sie, dass er glasige Augen hatte. Wahrscheinlich hatte er bereits einen Whisky getrunken.

»Hallo, Spencer.« Hedy bemühte sich um ein Lächeln, sie fürchtete den weiteren Dreh mit Spencer Tracy. Besonders, weil sein Gesichtsausdruck überdeutlich davon sprach, wie wenig Interesse er an der Zusammenarbeit mit ihr hatte.

»Hallo, Hedy.« Er drückte seine Zigarette aus. »Lass uns das Ganze schnell in den Kasten bringen, damit wir uns vernünftigen Projekten zuwenden können.«

Hedy konnte nur nicken. Die Schauspieler, die Kameraleute, die Maskenbildner, der Regisseur, überhaupt jeder, der mit I take this Woman beschäftigt war, bemühte sich, das Projekt zu einem glücklichen Ende zu führen, aber die Stimmung am Set blieb hoffnungslos. Zu lange hatten die Dreharbeiten gedauert, zu häufig waren Drehbuch und Regisseur gewechselt worden.

Woody van Dyke schaffte es schließlich wirklich, den unglückseligen Film in 23 Tagen fertigzustellen, so dass er kurz vor Weihnachten Premiere feiern konnte. Louis B. Mayer, der sich zu Anfang ständig in die Dreharbeiten eingemischt hatte, hatte inzwischen jegliches Interesse an dem Film verloren.



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